Der Rapfen, ein räuberischer Cyprinide in Inn und Salzach
Die ungestümen Jagden des Räubers auf Kleinfische an der Wasseroberfläche sind weithin hörbar und nicht zu übersehen.
Der Rapfen, auch Schied genannt, kommt ursprünglich aus Osteuropa. In Mitteleuropa lebt er vom Rhein bis zum Uralfluss und Nordanatolien, nach Süden bis zu den Alpen. Linne ordnete ihn 1758 mit dem lateinischen Namen Aspius aspius in die Nomenklatur ein. Der Rapfen ist eine Fischart aus der Familie der Karpfenartigen (Cypriniden) und ist im Erwachsenenalter der einzige Raubfisch unter den europäischen Karpfenfischen.
Er hat einen stromlinienförmigen, lang gestreckten, meist zusammengedrückten Körper und einen breiten, zahnlosen Mund, der nach oben gerichtet ist. Seine weite Mundspalte reicht bis hinter die Augen und der verlängerte Unterkiefer besitzt einen Haken, der in die Kerbe im Oberkiefer passt. Der Fisch verfügt über zwei Reihen Schlundzähne, mit denen er beim Schlucken seine Beute zermalmt. Sein Rücken ist olivgrün gefärbt, manchmal mit bläulichem Ton. Sein Schuppenkleid schimmert silbern bis leicht gelblich, die gerundete Bauchkante ist weißlich und seine Seitenlinien haben 66 bis 71 Schuppen. Seine paarigen Flossen und die ziemlich stark eingebuchtete, sichelförmig ausgeprägte Afterflosse sind rötlich, Rücken- und Schwanzflosse grau. Der Rapfen hat relativ kleine Augen und Schuppen und hinter dem Waidloch einen deutlich ausgeprägten Kiel. After- und Rückenflosse sind konkav. Ältere Fische entwickeln einen Buckel und unter optimalen Lebensbedingungen können sie bis 13 Jahre alt werden und eine Länge bis 110 cm und ein Gewicht von 10 bis 15 kg erreichen.
Der Rapfen hält sich mit Vorliebe in Fließgewässern mit starker Strömung auf, aber auch in größeren Seen und Altwässern. So ist der Fisch auch in sämtlichen an den Fluss angebundenen Altwässern an der Inn-Salzach-Mündung zuhause. In der Jugend lebt er gesellig und ernährt sich von Kleintieren aller Art. Mit zunehmendem Alter wird er immer mehr zum Einzelgänger und zum gefräßigen Raubfisch. Der Rapfen ist ein schneller und sehr wendiger Jäger, der kleine Fische wie Lauben und Rotaugen, auch Frösche und sogar kleine Wasservögel an der Wasseroberfläche, aber auch im Mittelwasser jagt.
Im Sommer kann man die wilden Jagden besonders in den frühen Morgenstunden und zu Beginn der Dämmerung beobachten. Der gefräßige Raubfisch springt bei seinem Beutezug nicht selten aus dem Wasser und klatscht dabei lautstark auf die Wasseroberfläche.
Im Bereich des Alzkanal-Einlaufs in die Salzach verrät er dem Angler seine Anwesenheit durch seine vehementen Attacken auf die Kleinfische, die auf der Flucht vor ihm nach allen Seiten auseinander spritzen und dabei auch aus dem Wasser springen. Wirft der Angler seinen Spinner oder andere Kunstköder zielgenau in dieses Jagdszenario, so folgt meist kein Anbiss, denn in den nächsten Sekunden raubt der flinke Räuber schon etliche Meter weiter.
Während der Hecht seinen Standplatz neben einem Stein, einer versunkenen Wurzel oder unter einem überhängenden Strauch bevorzugt, steht der Rapfen mitten in der Strömung ohne jeglichen Anhaltspunkt und genau an diese Stelle kehrt er nach seinen räuberischen Attacken wieder zurück.
Das Ablaichen der Fische erfolgt unter heftigen Paarungsspielen in kleinen Gesellschaften im April bis Juni in rasch fließenden Gewässern mit kiesigem Grund. Während dieser Zeit entwickeln die Männchen einen starken Laichausschlag. Ein mittelgroßes Weibchen legt etwa 80 000 bis 100 000 klebrige Eier, die auf dem kiesigen Grund haften bleiben. Bei 12 bis 18 Grad Wassertemperatur beträgt die Brutdauer etwa 10 bis 16 Tage. Die ausschlüpfenden Larven verstecken sich zunächst zwischen Steinen und lassen sich nach einiger Zeit mithilfe der Strömung in ruhigere Gewässerabschnitte treiben, wo sie sich von Plankton und Kleinstlebewesen ernähren. Die jungen Fische halten sich in kleinen Schulen in Ufernähe auf und mit zunehmender Größe ernähren sie sich auch von Würmern, Insekten und kleinen Krebschen. Nach etwa 3 Monaten beginnen die Rapfen die ersten kleinen Fische zu jagen. Im adulten Alter wandern sie dann ins Freiwasser, wo sie in Gruppen oder als Einzelgänger in der Strömung an der Wasseroberfläche nach Kleinfischen jagen. Die Geschlechtsreife tritt etwa nach dem 4. Bis 5. Lebensjahr ein.
Der Rapfen ist vom Fleisch her ein guter Speisefisch, aber wegen seiner Gräten nicht immer beliebt. Inn und Salzach bieten ideale Lebensbedingungen für diesen urigen Räuber, der hier nicht selten die stattliche Größe von 1 m erreicht.
Günter Geiß