Fischereiverein Burghausen e.V.

Der Graskarpfen,

auch Weißer Amur genannt, ist ein Exot in unseren Gewässern

 

Der ostasiatische Pflanzenfresser ist ein Neozon und für unsere heimischen Gewässer mehr schädlich als nützlich

Der Graskarpfen wurde 1844 von Valenciennes mit dem lateinischen Namen Ctenopharyngodon idella in die wissenschaftliche Nomenklatur aufgenommen. Ursprünglich lebte der Fisch in den Flüssen der nordchinesischen Ebene und im Amurbecken. Das ehemalige Verbreitungsgebiet ist kaum noch feststellbar, da er in China seit dem 10. Jahrhundert gezüchtet und in die Gewässer ausgesetzt wird.

Der Graskarpfen ist ein Cyprinide, also ein Karpfenartiger aber mit den eigentlichen Karpfen nicht näher verwandt. Da er Pflanzenfresser ist, ist der Name Grasfisch treffender. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts ist der Neozon in vielen Gewässern Europas zur Bekämpfung des übermäßigen Pflanzenbewuchses ausgesetzt worden. In den Gewässern des Fischereiverein Burghausen wurde auf Anraten überregionaler Stellen in den 70er und 80er Jahren in der Marktler Badelacke und in der Peracher Lacke ein größerer Bestand an Grasfischen ausgesetzt, in der Hoffnung den Pflanzenbewuchs zu dezimieren.

 

Da der Grasfisch auch in anderen Gewässern bayernweit ausgesetzt wurde, lebt er auch in Inn und Salzach, besonders im wärmeren Unterwasser des Alzkanals, aber auch in den flussangebundenen Altwässern.

 

Der Grasfisch gleicht mit seinem langgestreckten, ziemlich runden Körperbau und der schwarzen Netzzeichnung unserem heimischen Aitel. Sein Kopf ist abgeplattet, die Schnauze stumpf und zwischen den Nasenlöchern eingedrückt. Sein Mund ist leicht überständig und die weißliche Bauchseite leicht abgerundet. Er hat große, dunkel umrandete Schuppen und seine hellgraue Rückenflosse weist 10, die Afterflosse 11 Strahlen auf. Die Rückenflosse und Afterflosse sind kurz mit abgerundeter, gewölbter Außenkante und die Schwanzflosse ist deutlich eingebuchtet. Der Rücken des Grasfisches ist dunkelgrün gefärbt, manchmal grünschwarz, die Flanken erscheinen heller, mehr grünlich. Seine Schlundzähne sind sägeartig gekerbt und schräg abgeschliffen. Die Geschlechtsreife tritt mit 6 bis 7 Jahren ein.

 

In ihrer Heimat setzen die Fische in stark fließenden Flüssen über kiesigem Grund frei schwimmende Eier ab und es dauert nicht lange bis die Jungen schlüpfen. Bei 27 bis 29 Grad Wassertemperatur etwa 2 Tage. In den Gewässern Deutschlands wird angenommen, dass hier keine Vermehrung erfolgt, da mindestens Wassertemperaturen von 26 Grad über mehrere Tage notwendig sind. Zumindest in der Peracher Lacke, die manchmal Wassertemperaturen bis 30 Grad im Hochsommer aufweist, ist es Ende der 80er Jahre schon mal zum Ablaichen der Grasfische gekommen. Ich konnte von einer höheren Warte vom Hang aus mit dem Fernglas ca. 150 bis 200 etwa 30 bis 35 cm lange, eng beieinander stehende Jungfische knapp unter der Wasseroberfläche beim Sonnen beobachten.

 

Die jungen Tiere ernähren sich zunächst von Wirbellosen und ab etwa 5 cm gehen sie zur Pflanzenkost über. Der Grasfisch frisst fast alle weichen Wasserpflanzen wie Hornkraut, Tannenwedel, Fadenalgen aber auch junge Schilftriebe und wurde deshalb ab den 60er Jahren deutschlandweit zur biologischen Bekämpfung der Wasserpflanzen ausgesetzt, was sich in einigen Gewässern als großer Fehler herausstellen sollte. Im Hochsommer kann er das doppelte von seinem Körpergewicht pro Tag zu sich nehmen, verwertet aber die pflanzliche Nahrung nicht komplett. Durch seine Ausscheidungen erhält das Wasser erhöhte Nährstoffmengen und besonders in kleineren Stillgewässern tritt oft eine starke Wasserblüte auf. Sein Futter, die Makrophyten, sind ein wichtiger Bestandteil in unseren Badeseen und Altwässern und tragen zur Reinerhaltung des Wasserkörpers bei. Auf den Wasserpflanzen sitzen mikroskopisch kleine Zooplankter, die das Phytoplankton, also die Wasserblüte, aus dem Wasser filtert. Werden die Wasserpflanzen zu stark dezimiert, fehlt der Lebensraum dieser Kleinstlebewesen und durch den erhöhten Nährstoffeintrag durch die Ausscheidungen der Grasfische wird das Wachstum von Phytoplankton gefördert. Im Frühsommer, bei erhöhtem Nahrungsbedarf fressen die Grasfische auch Schilf.

 

In der Peracher Lacke sind ausgedehnte Schilfflächen im 50 bis 100 cm tiefen Wasser im Laufe der Jahre verschwunden. Beim Angeln konnte man oft beobachten, wie kapitale Grasfische die noch jungen und weichen Schilfhalme mit Schwung anrempelten, bis diese knickten und ihre Spitzen ins Wasser hingen. Kurz darauf schlürften die Fische die zarten Schilftriebe in sich hinein und rupften und zogen, bis schließlich nur noch der nackte Halm aus dem Wasser ragte. Auch wurden öfters abgefressene Schilfbulte mit stark zerrupftem Wurzelballen am Ufer angetrieben. Mich interessierte dieses Phänomen und schnorchelte mit Flossen und Taucherbrille zu der Stelle, wo ehemals ganze Schilfwände den Kleinfischen und anderen Lebewesen ein Zuhause gaben. Die restlichen abgefressenen aber noch im Boden verwurzelten Schilfbulte wurden regelrecht aus dem verschlammten Untergrund ausgegraben, um an die zarten, weißen Wurzeltriebe zu kommen. Überall um das Wurzelwerk der Schilfbulte lagen frische, abgebrochene Wurzeltriebe. Irgendwann lag der Wurzelballen frei und war im Gewässergrund nicht mehr verankert. Das restliche Wurzelwerk stieg durch seinen Auftrieb an die Wasseroberfläche, wo es vom Wind verdriftet wurde. Auch die ehedem ausgedehnten Seerosenfeldern in der Peracher Lacke fielen nach und nach den gefräßigen Pflanzenfressern zum Opfer. Heute blüht in diesem Wasser keine einzige der weißen Seerosen mehr.

 

Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Grasfischpopulation altersbedingt in der Peracher Lacke immer kleiner, aber die restlichen Exemplare auch immer größer. So konnte ich beobachten, wie in einiger Entfernung vom Ufer ein vermeintliches Blesshuhn an der Wasseroberfläche ihre Flügel ausbreitete. Mir war aber bald klar, dass die seltsamen Vor- und Rückwärtsbewegungen der „Flügel“ nicht von einem Vogel stammen konnten. Ein Blick durch das Fernglas sollte Klarheit verschaffen. Ich konnte ganz deutlich die riesige Schwanzflosse eines kapitalen Grasfisches erkennen. Der Fisch stand kopfüber im Wasser und rupfte vom Boden irgendwelches Wurzelwerk, wobei er wohl für die Wassertiefe etwas zu lang war und deshalb seine Schwanzflosse zeitweise aus dem Wasser ragte. Die Fische fressen ab 16 Grad Wassertemperatur und kommen mit einem minimalen Sauerstoffgehalt von 0,3 bis 0,5 mg pro Liter Wasser aus.

 

Unter günstigen Bedingungen kann der Grasfisch bis 1,5 m lang und bis 40 kg schwer werden. Er erreicht ein hohes Alter, wobei das tatsächliche Alter noch nicht festgestellt werden konnte. Der Grasfisch kann in unseren Gewässern große Schäden anrichten und sein Besatz ist deshalb in der heutigen Zeit verboten.

 

Günter Geiß